Social Impact: Welche Rolle spielt Design
90% der Weltbevölkerung sind nicht von Design betroffen. Steile These. Ist das wirklich so? Oder anders: Muss das so?
Das Vorurteil, dass Design nur für die Erste Welt und ihren Anspruch an Ästhetik gedacht ist, wollen wir heute entkräften. Denn es gibt einen Ansatz, der Design ganzheitlicher denkt und weiter geht: Social Design will mehr als Broschüren oder Branding. Social Design will die Gesellschaft mit gestalten.
Und ganz ehrlich: Das wollen wir auch! Deswegen haben wir uns vorgenommen heute zu klären, was Social Design ist, welchen Einfluss Design auf soziale Fragen haben kann, welche Methoden es gibt und was das in unserem Büroalltag bedeutet.
First things first: Was heißt hier eigentlich „Social Design“?
Deutsche Entsprechungen sind uns jedenfalls noch nicht unter gekommen. Bei dem relativ neuen Begriff Social Design handelt es sich um einen Überbegriff für verschiedene Stile und Methoden. Vor allem beschreibt es die Haltung, mit der diese ausgeübt werden. Designer:innen erkennen darin ihre soziale Verantwortung für die Bedürfnisse aller Menschen und deren Erwartungen an. Die Designerin Madelaine Berlis Feenstra beschäftigt sich mit dem Thema schon seit Langem und fasst es in ihrem Blog so zusammen:
Social Design ist eher eine Mentalität, kein Stil oder Methode. Es geht nicht nur darum, bessere Produkte mitzugestalten, sondern darum, bessere Menschen zu werden.
Madelaine Berlis Feenstra
„Social design“ beschreibt eine Qualität von Design im interdisziplinären Kontext
Der Alltag der meisten Menschen hat mit Design nicht sonderlich viel am Hut, so die Vorstellung. Mehr noch: Design ist ein Privileg und Designfragen sind first world problems. Es geht aber nicht um „schnell mal schön machen“ – wir verstehen Design ganzheitlicher. Das klingt abstrakt, also versuchen wir das mal verständlich zu machen:
Wer designt, denkt nicht in Schablonen. Designer:innen sind offen für Umwege und finden Lösungen für Probleme, von denen vorher niemand wusste, dass sie existieren. Ganz wichtig: wir schaffen die Probleme nicht, um davon zu profitieren! Die kreative Herangehensweise an komplizierte Phänomene ist ein Vorteil, von dem nicht nur Webseiten für Steuersoftware profitieren. Da ist noch viel mehr drin: Wissensvermittlung, Objekte und Dienstleistungen, bei denen Designaspekte einbezogen werden haben die Kraft, als „Katalysator für soziale Veränderungen und Innovationen“ zu wirken, heißt es beim Forschungsprojekt „Design with Social Impact” der Zürcher Hochschule der Künste. Was bedeutet das konkret?
Social Impact durch Design: Welchen Einfluss hat Design auf soziale Fragen?
Social Design kombiniert Kreativität und das Potenzial von Design Thinking mit der Entwicklung von Lösungen, die nachhaltig und maßgeschneidert soziale Fragen beantworten. Es handelt sich dabei nicht um eine Unterdisziplin oder ein Label, sondern um eine Methode, Zusammenhänge zu verdeutlichen und zu nutzen:
- So reagieren Unternehmen durch Social Design bereits zu einem frühen Zeitpunkt auf Veränderungen in der Gesellschaft, zum Beispiel wenn sie Armut bekämpfen wollen oder für gleiche Bildungschancen sorgen wollen.
- Durch Designmethoden wie Co-Creation oder Partizipationsdesign ist es möglich, betroffene Communities in die Lösung ihrer Probleme miteinzubeziehen und nicht nur über sie hinweg zu entscheiden.
- Social Design liefert letzten Endes Innovation und Entwicklung in sozialen Fragen, sei es durch eine Verhaltensänderung, Empowerment oder dem Abbau von Abhängigkeiten und Ungleichheiten.
Praktisch gesehen: Welche Methoden gibt es?
Das Potential liegt also darin, Probleme und Fragestellungen aus Designer:innensicht zu identifizieren und darauf innovativ zu reagieren. Lösungen kommen „out of the box”, weil der erste Blick auf eine Fragestellung bereits eine andere ist. Methoden, die dafür angewandt sind basieren darauf, das viel untersucht und analysiert, ausprobiert und wieder neu betrachtet wird. Die Herangehensweise ist grundsätzlich eher intuitiv und direkt abhängig von gemeinsamen Austausch von Können und Wissen.
Alle, die an einem Projekt beteiligt sind, müssen offen für Unbekanntes und Neues sein. Um Fragestellungen auf unübliche Weise anzugehen und „out of the box”-Lösungen zu finden, sind soft skills notwendig. Menschen, Kommunikation, Charaktere, Attitüden, soziale und emotionale Intelligenz – alles das will koordiniert und genutzt werden. Mit Designer:innen zusammenzuarbeiten heißt, dass die folgenden Methoden Anwendung finden:
1. Design Thinking:
Die Lösung von Problemen von Kund:innen aus gedacht: Am Anfang mit dem „Beginners Mind” – alle tun so, als hätten sie von nichts eine Ahnung. Alles muss genau verstanden werden. Dafür wird zugehört, ausprobiert und umgesetzt. Der Prozess ist erst zu Ende, wenn die Lösung implementiert ist. Mit dieser Methode gelingt es, neue Wege einzuschlagen und unkonventionell zu sein. Das Ergebnis sind innovative Lösungen.
2. Human Centred Design:
Auch hier stehen die Menschen im Vordergrund, das Ergebnis sollen aber Lösungen sein, die auf die Bedürfnisse dieser Menschen zugeschnitten sind. Wichtig hierbei aus Social Design Perspektive: Alle Teilnehmenden im Prozess müssen kontinuierlich ihre Rollen und Beziehungen zueinander reflektieren. Dazu zählen ihre Fähigkeiten, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Arbeitsmodi. Das heißt auch, dass die Fähigkeit, die Perspektiven zu ändern zentral ist, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Die Dynamik eines Design-Prozesses ist wichtig: Darin muss definiert sein, wie die Beziehungen aller Teilnehmenden zueinander und zur Zielgruppe aussieht. Wie arbeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Prozess miteinander? Und wie gestaltet sich die Arbeit zusammen mit der Zielgruppe? Einen Schritt weiter und damit ganzheitlicher geht das Konzept des „Life-Centered-Design“” – damit werden auch ökologische Aspekte und die digitale Zukunft miteinbezogen.
3. Co-Design: Zielgruppenbeziehung vor Kund:innenbeziehung
Das Gegenüber von Kund:innen oder Klient:innen und Designer:innen existiert nach dieser Vorstellung nicht mehr. Es geht um Kollaborationen von Menschen mit einem gemeinsamen Ziel, die von Anfang an gemeinsam an der Sache arbeiten. Designer:innen erkennen dabei auch ihre formally known as „Kund:innen” als Zielgruppe an.
Wie kann eine Agentur dazu beitragen?
Im Agenturalltag lösen wir vielleicht nicht die großen gesellschaftlichen Fragen dieser Welt. Wir sind uns unserer Rollen aber bewusst. Und nicht zuletzt arbeiten wir zusammen mit Leuten, die direkt Einfluss nehmen. So sehen wir das:
NGOs und Unternehmen, die direkten Einfluss auf soziale Gerechtigkeit nehmen, müssen sichtbar sein. Sie müssen so sichtbar sein, dass Außenstehende verstehen, was sie wollen, was sie ausmacht und welchen Einfluss sie haben können. Sie sind abhängig von Fördergeldern, vom Wohlwollen der Bevölkerung und denen, für die sie sich einsetzen. Sie wollen helfen.
Sie haben klare Kommunikationsziele, die sie mal besser und leider manchmal schlechter erreichen. Das hängt von vielen Faktoren ab und bei einem davon können wir wiederum Einfluss nehmen: der kommunikativen Außenwirkung.
Immerhin geht es bei uns um das, was üblicherweise von Designer:innen erwartet wird. Nicht zuletzt ist Design ein wichtiger Bestandteil von Unternehmensführung. Trotz aller Klischees: Es geht nicht nur um „Styling”, sondern darum, mit Design das darzustellen, was eine Organisation ausmacht. Design soll komplexe Dinge greifbar und verständlich machen: Abläufe, Prozesse – oder die Notwendigkeit von komplizierten Vorgängen. Das gilt für jedes Unternehmen, gerade auch für Unternehmungen mit sozialem Anspruch und Einfluss.
Grundsätzlich ist es aus unserer Sicht für eine Agentur wichtig, nach den Prinzipien des Social Designs zu arbeiten. Wir setzen das zum Beispiel so um:
- Durch strategische Herangehensweise im Design-Prozess,
- Kommunikation und Sprache als zentraler Bestandteil eines gelungenen Brandings,
- Kreative Kollaboration – Wir arbeiten workshopbasiert mit unseren Kund:innen auf Augenhöhe zusammen und
- Wir haben die Zielgruppe im Fokus – in Kombination mit den Unternehmenszielen.
Branding für NGOs und Unternehmen, mit Verantwortung für Soziale Fragen
Unterscheiden wir unsere Herangehensweise in der Zusammenarbeit mit Unternehmen mit oder ohne Social Impact? Grundsätzlich: Nein. Für jedes Unternehmen und damit auch für soziale Unternehmen gilt für uns, feinfühlig zu „branden”.
Die Prinzipien des Social Design sind für uns so nachvollziehbar, weil wir sehen, dass es nicht nur einen Unterschied macht was wir kommunizieren, sondern auch wie. Deswegen fließt das nicht nur in unsere Ergebnisse ein, sondern auch in unsere Arbeitsabläufe.
So helfen wir mit unserem Verständnis von Design Unternehmen und NGOs mit sozialer Verantwortung in besonderer Weise dabei, ihre Ziele besser zu erreichen – insbesondere dann, wenn der gesamte Prozess ganzheitlich betrachtet wird. Es geht nicht darum, einem Unternehmen nur einen frischen Anstrich zu verpassen. Es geht auch nicht darum, ein bisschen mit Buzzwörtern um sich zu werfen. Es geht um enge Zusammenarbeit, echtes Verständnis für Ziele und Zielgruppen darum, um die Ecke zu denken. Das alles gepaart mit der kreativen Expertise rund um den Anstrich.
Quellen:
Forschungsprojekt “Design with social Impact”
Es ist das erste Forschungsprojekt, indem es darum geht, dass Designstudierende lernen, ihre Kompetenzen systematisch auch in Projekten einzubringen, die soziale Fragen beantworten wollen. Bisher existiert die Zusammenarbeit von Design mit Entwicklungsorganisationen praktisch nicht – durch das Forschungsprojekt soll sich das ändern. In Zusammenarbeit mit Universitäten in China, Indien, Kenia und Mazedonien brachten die Zürcher Studierenden 2 1/2 Jahre lang ihr Designwissen für soziale Innovationen auf den Weg.
www.designwithsocialimpact.net
Messbarkeit von Social Design
Jolanta Paliszewska listet in ihrer Workshopbeschreibung zum Thema Messbarkeit von Social Design eine hilfreiche Liste von Frameworks, Tools und Ressourcen auf, die aus Design- und Webentwicklungssicht die Welt wahrnehmbar besser machen:
- Social Design und Social Impact Metrics
- www.madelaineberlis.com
- Buch: Social Design: Gestalten für die Transformation der Gesellschaft Taschenbuch – 26. August 2016 von Claudia Banz
- www.uid.com/de/aktuelles/hcd-design-thinking
Mit Liebe recherchiert und geschrieben von FORMLOS Berlin